Das Los hat entschieden: die 30 Mitglieder des zweiten Bürgerrats in der Einheitsgemeinde Hansestadt (Osterburg) stehen fest. Und der Weg dorthin? Bemerkenswert, denn: für das Thema „Radverkehr und Mobilität“ wurden Mitte Mai insgesamt 900 Menschen zufällig aus dem Melderegister ausgelost und zur Teilnahme am Bürgerrat eingeladen. Bis zum Stichtag Mitte Juni sagten 168 Personen zu. Das entspricht einer Rückmeldequote von 18,67 Prozent. Damit liegt Osterburg deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt bisheriger Bürgerratsverfahren.
Aus diesen Zusagen wurden von den Projektpartnern nun in einem zweiten Schritt 30 Personen so ausgelost, dass sie die Bevölkerung der Einheitsgemeinde möglichst gut abbilden – nach den Kriterien Alter, Ortschaft, Geschlecht und Bildungsabschluss. Die Teilnahmebestätigungen mit detaillierten Informationen zum weiteren Prozess sind unterwegs.
Osterburgs Bürgermeister Nico Schulz überrascht das derart positive Votum der Bürgerschaft nicht wirklich. „Viele Menschen wollen mitreden, mitgestalten, mitmachen und letztlich mitentscheiden – zusätzlich zu den etablierten, üblichen parlamentarischen Beteiligungsformaten in den Kommunen“. Bereits 2017 stieß Schulz den Prozess für mehr Beteiligung bei Verwaltung und Lokalpolitik an – ein laufender, vertrauensbildender, sich stets weiterentwickelnder, der jetzt zum zweiten Bürgerrat und sogar in einen Bürgerentscheid bei der Landtagswahl im September nächsten Jahres mündet. Dann können alle wahlberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner über eine oder mehrere Empfehlungen abstimmen, die im Bürgerrat erarbeitet und vom Stadtrat beschlossen wurden. Ganz konkret. „Wir leben in einer engagierten und vielfältigen Gesellschaft. Es ist klug, dieses Potenzial zu nutzen“, dankt Schulz auch dem Stadtrat, der das Instrument Bürgerrat aktiv als das annimmt was es ist und sein soll – eine wertvolle Ergänzung zur politischen Entscheidungsfindung gewählter Volksvertreter. Gleichzeitig wünscht sich der Bürgermeister mehr Mut in der Politik: „Viele Verantwortliche zögern noch oder haben Angst vor solchen Dialogformaten. Ich hoffe das ändert sich und unser Beispiel macht weiter Schule. Beteiligung ist der Schlüssel für eine gemeinsame Gestaltung der Zukunft.“
Repräsentative Zusammensetzung sichergestellt
Dank der hohen Rückmeldequote konnten alle Zielkriterien für die Zusammensetzung des Bürgerrats zu 100% erfüllt werden. So besteht die Gruppe zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern. Die Altersstruktur reicht von 16 bis über 65 Jahren, wobei alle Altersgruppen entsprechend ihres Anteils in der Bevölkerung vertreten sind. Auch aus allen Ortschaften von Osterburg wurden Teilnehmende ausgelost. Zusätzlich wurde auf eine ausgewogene Verteilung nach Bildungsabschluss geachtet. Damit wird gewährleistet, dass die gesamte gesellschaftliche Breite in die Diskussion über ein Mobilitätskonzept mit Radverkehrsplanung eingebunden ist.
Der nächste Schritt: gemeinsame Arbeit an Lösungen
Die erste von insgesamt sechs Sitzung des Bürgerrats bis wird am 21. August 2025 im Saal des Verwaltungsgebäudes stattfinden. Die Teilnehmenden werden bis Ende November dabei von Fachleuten aus Wissenschaft und Verwaltung begleitet sowie von unabhängigen Moderatorinnen und Moderatoren unterstützt. Die in strukturierten Gruppendiskussionen erarbeiteten Empfehlungen werden anschließend dem Stadtrat übergeben. Sie dienen als Grundlage für ein Mobilitätskonzept, das anschließend beauftragt werden soll. Gleichzeitig bilden diese Empfehlungen die Basis für den Bürgerentscheid über eine oder mehrere Abstimmungsfragen, der voraussichtlich parallel zu den Landtagswahlen am 6. September 2026 stattfindet. So wird gemeinsam darüber entschieden, ob die Empfehlungen des Bürgerrats mehrheitsfähig sind und die Ideen umgesetzt werden sollen. Das Ergebnis ist – wie vom Stadtrat im September 2024 beschlossen – bindend.
Zum Hintergrund
Osterburg ist die erste Kommune, die im Modellprojekt „Klima trifft Kommune“ von BürgerBegehren Klimaschutz e.V. und Mehr Demokratie e.V. mitmacht. Das Projekt entwickelt neue Wege demokratischer Beteiligung für den kommunalen Klimaschutz – in einem Zusammenspiel aus ausgelostem Bürgerrat und verbindlichem Referendum. Kürzlich wurde das Modellprojekt mit dem Bewährt-vor-Ort-Siegel des Deut-schen Städte- und Gemeindebundes ausgezeichnet. Es wird gefördert von der Robert Bosch Stiftung und der Deutschen Postcode Lotterie. Weitere teilnehmende Kommunen sind Flensburg, Pinneberg (Schleswig-Holstein) sowie der Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Weitere Informationen: www.klimatrifftkommune.de